Aus entwicklungspsychologischer Perspektive beginnt ein Kind ziemlich früh, Rückschlüsse zu ziehen, wo es selbst aufhört und wo das vermeintlich andere beginnt. Meist erfährt es über die Hand oder den Mund von der Existenz fremder Objekte, weil es sich in dem von ihm Berührten nicht wiederfindet. Das Kind schmeckt und ertastet, wartet auf eine Gegenreaktion seiner Umwelt und teilt diese entsprechend in die Kategorien «belebt» und «unbelebt» ein. Mit dem Spracherwerb werden diesen Klassifizierungstypen semantische Rollen zugeschrieben. In einer frühen Phase jedoch ist es dieselbe Hand, die gewisse Dinge einerseits berührt und dann andererseits nicht sicher ist, ob sie gleichzeitig ebenso berührt wird; auch bei scheinbar unbelebten Objekten. Dasselbe kann sich auf den Blick beziehen. – Die Seienden sollen sich durchdringen, ineinanderwachsen. Der Mensch glaubt, dadurch zu existieren, dass er sich durch Spaltungen und Differenz definiert, aber in Wahrheit ist das Gegenteil der Fall: Er ist ein holobiontisches Wesen und existiert durch andere. Tausende von Bakterien leben in seinem Körper. Essen, Sauerstoff, sogar Gedanken ziehen lediglich durch ihn hindurch; machen ihn zu einem unter vielen, machen schliesslich auch seinen Standpunkt zu einem unter vielen …
Lektorat: Ulrike Ritter